Folgender Beitrag vom 6.2.08 hatte ein Nachspiel, das ich am Schluss hier kommentieren möchte.
Vor kurzem veröffentlichte ich eine kleine skurrile Geschichte von mir in einem Lyrik -Forum.
Sie beginnt mit der Formulierung:
"Gedankenversunken gehe ich so vor mich hin...."
Ich wurde daraufhin von einer jungen Frau ziemlich rüde kritisiert, was das denn für eine seltsame Formulierung sei, sie sähe sofort eine mittelalte Frau vor sich... mit anderen Worten, für sie bin ich jetzt die verschrobene Alte, obwohl sie nichts von mir weiß! ;o)))
Dabei kenne ich fast alle neuen gängigen Redewendungen; mein persönliches Umfeld sind hauptsächlich 30 bis 40-jährige, aber ich wüsste nicht, was die Befindlichkeit besser beschreiben würde, als die von mir benutzten Worte.
Wie wir unsere Gedanken in Worte kleiden ist wichtig dafür, dass andere Menschen uns gut oder weniger gut "verstehen", und das im Sinne von Verständnis. Sprache als Kleidung unserer Gedanken ist ein wichtiger Teil unserer Alltags-Kultur.
Wie sieht es aus mit unserer "Alltagskultur"? Sind wir mehr und mehr schlecht gekleidet?
Kultur fängt bei der Sprache an, denn Sprache unterscheidet Mensch von Tier - und die Bewahrung regionaler Sprachen/Dialekte ist die Bewahrung eines Stücks Kultur.
Es ist ein Unterschied, ob man Fremdwörter gebraucht - wie zum Beispiel "Toleranz" für die es kein wirklich gleichwertiges Wort in unserer Sprache gibt - oder ob wir es zulassen, dass unsere Sprache langsam verschludert durch Überfrachtung mit völlig unnötigen plakativen Anglizismen.
Wir sind nicht weniger kosmopolitisch, wenn wir unseren eigenen Sprachgebrauch wahren, unsere eigenen Begriffe kreieren, so es Sinn macht.
Muttersprache ist ja auch ein Stück "Zuhause" und ich finde, es wird immer weniger "heimelig" bei uns. Die "Gemütlichkeit" ein absolutes deutsches Unikat, wird gegen ein Stück Bedeutungslosigkeit eingetauscht mit dem wir offenbar "allen gefallen" wollen.
Dabei ist das durchaus nicht so! Meine Freunde aus der realen weiten Welt sehen mit Erstaunen, wie wir uns Amerika anbiedern. Und dass wir die Simplizismen (simpl ist in Bayern und Östereich nicht umsonst das Synonym für "bisschen einfach gestrickt"!) der Amerikanischen Sprache sogar so weit treiben, dass wir sie in Deutsch nachmachen.
Es fiel meinen chinesischen Freunden als Erstes "Geiz Ist Geil" ins Auge, was sie damit kommentierten, dass der Chinese als solcher gerne spart - aber Geiz!!! Nein, das fanden sie dann doch eher unsymphatisch! ;o(
Zum Glück hat man eines meiner Lieblingswörter wieder ein bisschen hoffähig gemacht - das SCHMUNZELN.
Das habe ich Schokolade mit Ohren dran zu verdanken, die immer für eine lila Pause wirbt - was immer das auch sein mag.
Wir werden sicher weiter multilingual versorgt durch unsere Mitbürger mit Migrations-Hintergrund, aber wer sich in einer Kultur zuhause fühlt, muss auch etwas dafür tun, dass es so bleibt.
Und so werde ich zumindest weiter ältere Redewendungen und Wort-Schätzchen pflegen, mit denen mich ein ganz bestimmtes Gefühl verbindet und die ich nicht missen möchte.
Eine Sprache wird nie puristisch bleiben, dafür sorgt schon die internationale, technische Entwicklung.
Aber den Facetten-Reichtum einer Sprache auf Kosten plakativer Reklamesprüche zu vernachlässigen finde ich im Hinblick auf unser kulturelles Niveau bedenklich, denn das bedeutet auch, immer weniger genau Befindlichkeiten ausdrücken zu können - ein bisschen mehr Sprachlosigkeit.
Mit Stilblüten, geboren aus unserer Anglizismen-Verliebtheit befasse ich mich sicher auch noch einmal, aber erst einmal gehe ich Einkaufen und hole mir auf dem Rückweg vielleicht einen "Kaffee für'n Weech!" weil ich Hamburgerin bin und schon Laufen gelernt habe. DAZU brauche ich keinen Kaffee!
Nachdem ich reichlich Kritik in dem angesprochenen Lyrikforum bekommen hatte, nicht nur für die zitierte Geschichte, weil man meinen Sprachgebrauch zu "altbacken" und einfältig fand, hatte ich kurz darauf eine Lesung zu halten, zu der ich mich hatte breitschlagen lassen.
Ich ging mit gemischten Gefühlen dort hin, aber wollte dennoch gerade ein paar von den besonders abgestraften Sachen lesen, um es am "lebenden Objekt" zu testen.
Der Raum war gut gefüllt, allerdings kaum ein bekanntes Gesicht zu sehen.
Zweimal 20 Minuten sollte ich lesen - es wurden 40 und 50 Minuten - 15 Min. Pause nur, weil ich sie brauchte. Danach unterhielt ich mich mit den Gästen noch lange, und ausgerechnet nach den besinnlichen, ernsten Geschichten fragten sie und warum ich nicht mehr davon gelesen hätte....
Es mag ja heute bei den "Autoren" modern sein, mit vielen Umschreibungen, Flachsinn und sprachlichen Winkelzügen auf den Punkt zu kommen. Aber mindestens so wichtig ist, WAS man zu sagen hat, denn wenn der Inhalt nicht stimmt, nutzt auch die Verpackung nichts!
Ich schreibe, wie ich spreche und halte meine Ausdrucksweise nach wie vor für allgemeinverständlich. Offenbar ist das, zumindest bei meinem Publikum, gut angekommen.
