Gestern Morgen wachte ich von seltsamen Geräuschen auf, die ich nicht einordnen konnte. Sonst um diese frühe Uhrzeit mehr müde als neugierig, ließen sie mich nicht mehr einschlafen. Also öffnete ich vorsichtig den Vorhang und bestaunte einen riesigen Kranausleger direkt vor meinem Fenster, der offensichtlich für unser Haus tätig werden sollte.
Gerade sind die Balkons zur Straßenseite hin grundsaniert worden, was statt 5 Wochen 6 Monate dauerte und mein Wohnzimmer für diese Zeit in eine Christo-verhüllte Höhle verwandelt hatte.
Vorgestern nun kam ein Handwerker und wollte etwas in der Küche, dem einzigen Raum mit wenigstens schräger Sonneneinstrahlung und Ausblick auf die hinteren Gärten, ausmessen. Er murmelte dabei etwas von neuen Balkons, was ich mit: "Davon weiß ich nichts, glaube ich nicht!" quittierte.
Was ich seitdem ahnte wurde gestern schreckliche Gewissheit; draußen auf der abgesperrten Straße baute man gerade die Fertigteile für monströse Balkons auf Stelzen von 5 m Länge und ca. 1,50 m Tiefe zusammen, die der Kran dann über das Dach in den Hinterhof hievte.
Zugegebenermaßen eine beeindruckende Aktion - mit dem Walky-Talky passte der Kranführer mit seinem Dirigenten und zwei Handwerkern die Einzelelemente zentimetergenau aufeinander!
Die ganze Tragweite dieses Schildbürgerstreichs, mit dem man offenbar die Miete schlagartig in die Höhe treiben möchte, offenbarte sich mir heute.
Mein sparsamer Blick schaut jetzt beim Frühstücken auf zwei dicke, verzinkte Vierkantrohre und ein Gitter, dass mich davor bewahren soll, von einem Balkon zu fallen, den keiner von uns Mietern haben wollte, von dem wir nicht einmal offiziell informiert wurden, und der die Sonne endgültig aussperrt.
Die Besitzer der Eigentumswohnungen haben in vor uns geheim gehaltener Abstimmung diesen Coup geplant, um uns alte Mieter entweder hinauszuekeln, oder zu Mieterhöhungen zu nötigen, was eine grobe Unterschätzung unserer Persönlichkeiten offenbart.
Eine meiner mir gehörenden Heizungen befindet sich direkt dort, wo offensichtlich der Durchbruch für die Balkontür geplant ist und erspart mir immerhin 130 Euro Miete im Monat. Das wird sich keinesfalls ändern!
Im mittlerweile für mich unverzichtbaren Internet fand ich gestern dieses Urteil:
Führt eine geplante Modernisierungsmaßnahme letztlich zu einer unverhältnismäßigen Mieterhöhung, muss der Mieter die Baumaßnahme nicht dulden (AG Wiesbaden 93 C 4042/01-20).
Mehr dazu?
Zunächst werde ich bei meinem Mieterverein vorstellig um zu erfahren, ob ich die Miete jetzt mindern darf, weil der verschandelnde Ausblick mir die Sonne weggesperrt hat und damit meine Lebensqualität erheblich eingeschränkt wurde!
Ich ahne, dass nach Ablauf der 10 Jahre Wartezeit nach Verkauf der Wohnungen als Eigentum uns die neuen Besitzer im Juni die Kündigung schicken werden. Also werde ich mich auch gleich über die Sozialklausel, die im Falle vieler langjährigen Mietverhältnisse greift, genauestens informieren.
Von meinem ganz persönlichen Krimi wird es somit wohl demnächst eine Fortsetzung geben.